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INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN

INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN

Susanne Regina Meures

Warum haben Sie einen Film über eine lnfluencerin gemacht?

Alles begann im Jahr 2017. lch war in Berlin, als ich in einem Park eine Gruppe von Mädchen sah, die in Zeitlupe Pantomime machten. Jetzt kennen wir alle TikTok, aber damals hatte ich das Gefühl, dass ich ein neues Universum der Präsentation und Selbstreflexion betrete. lch fragte mich was diese moderne Mädchenbande (Girl Gang) ausmacht, daher der Titel des Films. lch wollte wissen, wer sie sind und wie sie denken.

 

Wann haben Sie zum ersten Mal von Leonie erfahren?

lch habe mit etwa 160 Mädchen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren gesprochen, bis ich Leonie auf einem Social-Media-Event traf. Sie war 13 Jahre alt und hatte bereits eine halbe Million Follower. Sie vereinte alle Eigenschaften eines Mädchens, das sein Leben in den sozialen Medien lebt. Leonies Geschichte schien das perfekte moderne Abenteuer über Träume, lllusionen und Selbstwahrnehmung zu sein, und das zu einer Zeit, in der 86 % der befragten Teenager angeben, dass sie lnfluencer werden wollen.

 

Der  Titel weist auf eine Gruppe hin, obwohl der Film nur eine einzelne Influencerin begleitet. Warum haben Sie diese Unterscheidung beibehalten?

Ursprünglich hatte ich geplant, einen Film über eine Gruppe von Mädchen, Leonie und ihre Freunde, zu drehen. Als ich mit den Dreharbeiten begann, wurde mir schnell klar, dass es in diesem Film nicht um Leonie und ihre Freunde geht, sondern um sie und ihre Familie. Das war der Kern der Geschichte. Als ich in Leonies Social-Media-Sphären eintauchte, dämmerte mir, dass die moderne Girl- Gang nicht mehr die Gruppe von Mädchen im Park ist. Es sind die Millionen von Mädchen, die sich online versammeln. Obwohl ich meinen Schwerpunkt verlagert habe, wurde der Filmtitel, der von Anfang an da war, noch relevanter.

 

Sie haben Leonie und ihre Eltern über einen Zeitraum von vier Jahren begleitet. Abgesehen davon, dass sie reich und bekannt geworden sind, wie haben sie sich auf persönlicher Ebene verändert?

Sie sind heute unglaublich beschäftigt. lhr tägliches Leben wird von Arbeitsaufträgen und dem Druck, Inhalte zu produzieren, diktiert. Das Familienleben ist zu einem Geschäft geworden, vor allem seit Leonies Eltern ihr Management übernommen haben. lch konnte sehen, wie die Leichtigkeit und das Lachen schwand, während Leonie in die Pubertät kam eine Zeit, die in keinem Haushalt auf diesem Planeten einfach ist. lhre Eltern befinden sich in einer noch schwierigeren Situation: Sie müssen Leonie als Eltern beschützen und sie gleichzeitig dazu drängen, ihrer Arbeit nachzugehen. Keine leichte Aufgabe. Aber ich habe nie erlebt, dass sie ihre Lebensentscheidung ernsthaft in Frage stellen. Es ist zu ihrer Realität geworden.

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Sequenzen, in denen Leonie Einkaufszentren inmitten einer Schar schrei- ender junger Fans besucht, erinnern an Aufnahmen der Beatles aus den frühen 1960er Jahren. Wenn diese Art von Teenager-Fanatismus schon im- mer eine gewisse Intensität hatte, wie hat sich diese Kultur dann verändert, jetzt wo sie sich an lnfluencern und nicht an Pop-ldolen orientiert?

Es ist nicht dasselbe wie in den 1960er Jahren mit den Beatles oder in den 1990er Jahren mit all den Boybands. Jetzt haben wir Fan-Mädchen, die wegen ihrer weiblichen lnfluencer-ldole weinen und in Ohnmacht fallen. Leonies Erfolg ist ihre Erreichbarkeit. Sie ist ihre Freundin und sie teilt fast jeden Teil ihres Lebens mit ihren Fans. lhre Fans können ihr Nachrichten schicken. Sie ist scheinbar so nah, dass sie sie fast berühren können. lnstagram ist ein bisschen wie ein Schulhof, Leonie ist das beliebte und begehrte Mädchen. Die anderen projizieren ihre Träume von einem besseren Ich und Leonie eignet sich dafür perfekt, gerade weil sie so ähnlich ist.

 

Sie haben die Figur der Melanie eingeführt - ein Fan, der eine starke Bindung zu Leonie entwickelt - um dies zu reflektieren.

Heute sind Fans mobiler, reisen international zu Versammlungen, bilden Gruppen und Gemeinschaften. Oft werden die Fans selbst wieder zu Anführern, so wie Melanie im Film. Sie ist Leonies größter Fan, hat aber selbst Tausende von Followern auf lnstagram. Die Fans können heute ein viel breiteres Spektrum an Aktivitäten ausüben: lnhalte bearbeiten, Kommentare posten, Fotos und Videos teilen. lnfolgedessen eignen sich die Fans aktiv lnhalte der Populärkultur an und verleihen ihnen eine neue und originelle Bedeutung. Das Gleichgewicht hat sich verschoben und gibt den Fans mehr Macht und Kontrolle.

 

Warum haben Sie Rahmenelemente wie das Märchen und eine Chormusik eingesetzt? Um mit oder sogar gegen eine sehr digital geprägte Erzählung zu arbeiten?

Die Geschichte hat alle Qualitäten eines modernen Märchens, und ich wusste, dass der Film eine zusätzliche Ebene braucht. Der Beginn von «Es war einmal eine Zeit» schafft eine Distanz zu etwas, was wir tagtäglich sehen: Menschen oder eben Mädchen, die an ihren Handys kleben. lch glaube, dass wir durch das Märchen die Bilder wieder mit frischerem Auge und neugieriger betrachten. Wir begreifen, dass wir Zeuge von etwas Außergewöhnlichem werden. Die Musik verbindet die Zuschauer mit der religiösen Qualität des Themas, mit der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die wir alle in uns spüren.

 

Leonie und ihre Familie würden die eher  ambivalente  Sichtweise  des

Films auf die lnfluencer-Wirtschaft wahrscheinlich nicht teilen. Wie wichtig war es, die richtige Balance 14 zwischen den Ansichten zu finden?

Seit Beginn der Dreharbeiten zu GIRL GANG, sind eine Menge Filme über die Soziale Medien erschienen. Die Filme haben meist einen aufklärerischen Charakter und versuchen die Zuschauer zu warnen. Das ist in Ordnung. lch habe jedoch einen anderen Ansatz. Um die Welt zu verstehen und durch meine Augen darzustellen, krieche ich gerne ins Zentrum der Dinge und kehre sie von innen nach aussen. Natürlich forme ich die Geschichte durch mein eigenes Verständnis und interpretiere das Universum der Protagonisten, wie ich es erlebe. Aber es ist es nicht meine Aufgabe, über ihre Lebensentscheidungen zu urteilen.

INTERVIEW MIT LEONIE (LEOOBALYS)

INTERVIEW MIT LEONIE

Leoobalys

Der Film zeigt drei Jahre Deines Lebens. Gibt es Dinge, die Du heute anders machen würdest?

lch würde meinen Eltern mehr zeigen, dass ich es schätze, was sie für mich machen. lm Film war ich halt in der Pubertät und da war ich manchmal ziemlich fies zu ihnen.

 

Welches sind die wichtigsten Veränderungen, die Du in der Zeit durchgemacht hast?

Ich habe gelernt, dass es die Leute nicht nur gut meinen mit mir. Dass es Manager gibt, die zu wenig auf einen aufpassen. Und ich habe gelernt, zu unterscheiden, welche Freundschaften wirklich wichtig sind und bleiben.

 

Bist Du auch misstrauischer geworden?

Ja, auf jeden Fall. Gerade auch im Geschäftlichen. Man muss sehr vorsichtig sein und alles gut durchdenken.

 

Gibt es etwas, dass Du bereust?

Nein, nichts.

 

Verbringst Du zu viel Zeit am Handy?

lch verbringe schon sehr viel Zeit am Handy. Aber ich habe ja auch einen Ausgleich dazu. Zum Beispiel Fußball. Oder mal ein Spieleabend mit meinen Eltern, wo ich das Handy komplett weglege.

 

Im Film sieht man Dich kaum in Deiner Freizeit. Findest Du Zeit für Freunde?

Bei mir ist es halt so, dass sich Beruf und Freizeit vermischen. Meistens dokumentiere ich das, was ich privat mache, auf Social Media. Und da sind oft auch Freunde dabei, die mir wichtig sind. Der Film konzentriert sich sehr auf die Business-Seite und weniger auf meine Freizeit.

 

Wie war es eigentlich für Dich, die Kontrolle über Dein Bild an Sue, die Regisseurin, abzugeben?

Das ist ein krasses Gefühl, weil halt was geschnitten wird, das man nicht kontrollieren kann. Aber ich habe nichts zu verheimlichen. Man hat mal Streitigkeiten, man sieht mal aus wie eine Kartoffel. Das finde ich sogar noch gut, dass man das sieht. Auch weil andere Eltern sehen, dass nicht nur ihre Kinder schlecht drauf sind.

 

Wie fühlt es sich an, wenn man über 1 Million Gefolgschaft hat?

Das ist total krass.

 

Aber macht es auch glücklich?

Ja, natürlich Einfach dieses Gefühl, dass die Leute hinter einem stehen. Zum Beispiel, wenn ich über mein Abi poste und die Leute sich dann freuen für mich. Oder ich mag es auch, dass ich Tipps bekomme von den Leuten.

 

Hast Du einen Traum, den Du noch erreichen möchtest?

Meine Ziele möchte ich lieber privat halten. lch will die nicht groß ankündigen und dann vielleicht nicht erreichen. lch möchte lieber zurückblicken und dann sagen: lch habe das erreicht, das war mein Ziel. Aber  Träume habe ich auf jeden Fall.

 

Ist die Leonie bei Social Media anders als die private Leonie?

Nein. lch zeige mich so, wie ich privat auch bin. Wenn ich vegan essen gehe und mich so zeige, dann ist das, weil ich auch privat veganes Essen mag.

 

Deine Eltern sind auch so etwas wie Deine Arbeitskollegen… ihr teilt Job-und Familienleben.

Ja, was ich total toll finde.

 

lst das nicht manchmal etwas viel?

Ja, da gibt es Streitigkeiten. Aber ich finde es total toll, dass ich mit meinen Eltern alles teilen kann. Was in der Schule passiert, im Fußball, das Business. Meine Mutter kann gleichzeitig meine beste Freundin sein und mit mir Klamotten shoppen.

 

Andere in Deinem Alter nabeln sich gerade von den Eltern ab. Wie läuft das bei euch?

Nicht groß anders. Wenn ich mit meinen Freunden in eine Bar gehe, sind die Eltern ja auch nicht immer dabei. Und umgekehrt treffen sie sich zum Beispiel für einen Pärchenabend, wo ich dann nicht dabei bin.

 

Hattest Du nie den Eindruck, etwas zu verpassen, weil Du so viel arbeitest als lnfluencerin?

Nein. Ich hatte zum Beispiel nie das Bedürfnis, groß feiern zu gehen und mich mit Alkohol abzuschiessen. lch bin so geblieben, wie ich bin. Meine Jugend ist normal. lch unternehme viel mit Freundinnen und ich lerne, wie jedes andere Mädchen, Jungs kennen. Ich mache meinen Job aus Spaß, ich bin da so reingerutscht. Und ich habe ja noch Zeit, andere Dinge auszuprobieren.

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Und was würdest Du Jugendlichen raten, die Social Media Stars werden wollen?

ln den Sozialen Netzwerken lauern Gefahren. Man muss zum Beispiel aufpassen, mit wem man zusammenarbeitet. Man sollte nicht einfach jedem vertrauen. Und vorsichtig sein, was man postet. Am besten lässt man die Eltern drüber schauen. Man sollte das nicht vor ihnen verstecken, sondern sich ihnen anvertrauen.

 

Welche Botschaft im Film ist Dir persönlich wichtig?

Manche Leute denken ja, man muss nichts können, wenn man lnfluencerin ist. Niemand hat gesehen, wie ich als 13-Jährige bis 3 Uhr Nachts Videos geschnitten habe. Dank dem Film sieht man, wieviel Arbeit und Planung dahintersteckt.

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